Auch wenn kein direkter Zusammenhang nachweisbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Intention der politischen Nachtgebete 1968 bis 1973 in Köln sehr nahe der der regelmäßigen Friedensgebete in der DDR ist, die es seit 1978 in Erfurt und seit 1982 in Leipzig gab. Wie der Leipziger Pfarrer Christoph Wonneberger kannten Akteure der Oppositon in der DDR die politischen Nachtgebete und verwendeten die publizierten Texte zu ähnlichen Anlässen. Wonneberger dienten sie u.a. zum Vorbild für die Friedensgebete, die er 1982 in Dresden im Rahmen der FriedensDekade initiierte. Die Friedensgebete wurden im Herbst 1989 zu den Kristallisationspunkten der Demonstrationen in den meisten Orten der DDR, so auch der Montagsdemonstrationen in Leipzig.

Politisches Nachtgebet

war der Titel einer Liturgie, die beim 82. Deutschen Katholikentag vom 4. bis 8. September 1968 in Essen gefeiert wurde. Daraus entstand die gleichnamige gottesdienstliche Tradition zunächst von 1968 bis 1972 in der Antoniterkirche in Köln, dann auch an vielen anderen Orten.

Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs (Tet-Offensive) wollte der Ökumenische Arbeitskreis Köln – bestehend unter anderem aus Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky, Marie Veit, Heinrich Böll, Egbert Höflich, Michael Dohle, Vilma Sturm u. a. – beim Essener Katholikentag 1968 einen „politischen Gottesdienst“ feiern. Die Veranstalter des Katholikentags setzten den Gottesdienst erst auf 23 Uhr an, worauf die Gruppe die Veranstaltung „Politisches Nachtgebet“ nannte.

In Folge fanden ab Oktober 1968 monatlich um 20:30 Uhr in der evangelischen Antoniterkirche in Köln „Politische Nachtgebete“ statt. Kardinal Joseph Frings hatte die Benutzung der Kirche St. Peter untersagt. Der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Joachim Beckmann beglückwünschte den Kardinal, „daß er das Recht hat, so etwas in einer Kirche zu verbieten“. Er selber konnte nicht gegen die Erlaubnis des Presbyteriums der Evangelischen Gemeinde Köln entscheiden. Zum ersten Gebet am 1. Oktober kamen über 1.000 Menschen. Katholische wie evangelische Kirchenleitung kritisierten die Theologie von Dorothee Sölle. Besonderer Stein des Anstoßes war ein Glaubensbekenntnis, das Dorothee Sölle im ersten Nachtgebet sprach. Beckmann sah darin „Irrlehren“. Außerdem kritisierte Beckmann, dass man bei den Nachtgebeten politische Informationen, die „nur ein Gesprächsthema“ seien, zu einem Gottesdienst deklariere.

Die politischen Nachtgebete enthielten neben politischen Informationen und Diskussion auch eine Predigt oder Meditation anhand eines biblischen Textes. Sölle beschrieb die Struktur der Nachtgebete so: Bei den Nachtgebeten handelt es sich „um politische Information, um ihre Konfrontation mit biblischen Texten, eine kurze Ansprache, Aufrufe zur Aktion und schließlich die Diskussion mit der Gemeinde“. Für sie seien „Information, Meditation und Aktion die Grundelemente aller folgenden Nachtgebete geblieben“. [1]

Hinter dieser Struktur stand Sölles Überzeugung, daß theologisches Nachdenken ohne politische Konsequenzen immer einer Heuchelei gleichkomme und jeder theologische Satz auch ein politischer sein müsse.[2]

Themen der politischen Nachtgebete waren zum Beispiel die Militärdiktatur in Griechenland (Mai 1969), die wirtschaftliche Mitbestimmung (November 1970), der § 218 (Oktober 1971), die "Jesus People"-Bewegung (November 1971), die Baader-Meinhof-Gruppe (Juli 1972), die Bundestagswahl (September 1969 und November 1972), der Vietnamkrieg (Februar 1973) und der Putsch in Chile (Dezember 1973).

Seitdem sind an vielen verschiedenen Orten Gottesdienste gefeiert worden, die sich an die Idee des „Politischen Nachtgebets“ anlehnen. Auch die Abendgebete von Christentum & Gerechtigkeit sind „Politische Nachtgebete“.

Die politischen Nachtgebete dienten u.a. dem Leipziger Pfarrer Christoph Wonneberger zum Vorbild für die Friedensgebete, die er 1982 in Dresden im Rahmen der Friedensdekade initiierte. Auch wenn kein direkter Zusammenhang nachweisbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Intention sehr nahe der der regelmäßigen Friedensgebeten in der DDR ist, die es seit 1978 in Erfurt und seit 1982 in Leipzig gab. Die Friedensgebete wurden im Herbst 1989 zu den Kristallisationspunkten der Demonstrationen in den meisten Orten der DDR, so auch der Montagsdemonstrationen in Leipzig.

Fußnoten:
Dorothee SölleGegenwind, Seiten 71 und 72
(a.a.O., Seite 71)

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Nachtgebet, ergänzt von Matthias Sengewald (GfZ).